Die kantonalen Delegierten trafen sich am Mittwochabend zur ordentlichen Jahresversammlung in Muri-Gümligen. Neben den statutarischen Jahresgeschäften wurden die Parteiorgane für die nächsten vier Jahre gewählt sowie die Parolen zu drei der fünf nationalen Abstimmungsvorlagen vom 27. September 2020 gefasst. Die bisherigen Mitglieder der Parteileitung wurden mit Blick auf den bevorstehenden Wechsel im Parteipräsidium wie von der Parteileitung beantragt provisorisch bis Ende 2020 gewählt. Die Wahl des neuen Parteipräsidiums findet an der Delegiertenversammlung vom 19. August 2020 in Biel statt.
Zur sogenannten Begrenzungsinitiative bzw. «Kündigungsinitiative» der SVP beschlossen die Delegierten mit 107 Nein- zu 4 Ja-Stimmen bei 0 Enthaltungen äusserst deutlich die Nein-Parole. Der Unternehmer und FDP-Grossrat Daniel Arn stellte die Vorlage vor und plädierte für den Erhalt der Personenfreizügigkeit, welche uns den Zugang zum EU-Binnenmarkt sichere. Er nannte die SVP-Initiative ein «verantwortungsloses Experiment», es sei falsch die bilateralen Verträge mit unserer wichtigsten Handelspartnerin ohne Alternative aufzugeben.
Die Änderung des Jagdgesetzes war bei den Delegierten umstritten. Mit 50 Nein zu 39 Ja bei 19 Enthaltungen fassten die Berner Freisinnigen die Nein-Parole. Vorgängig hatten der ehemalige Parteisekretär und passionierte Jäger Franz Stämpfli (Pro) und die Berner Pro Natura Präsidentin Verena Wagner (Contra) um die Gunst der Delegierten geweibelt. Während der Befürworter die Artenvielfalt und den Tierschutz im neuen Gesetz gestärkt sieht, befürchtet die Gegnerin eine Ausweitung der abschiessbaren Tiere und forderte eine neue ausgewogenere Vorlage zu einer pragmatischen Regulierung des Wolfes.
Die Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (Erhöhung Maximum der effektiven Kinderdrittbetreuungskosten und Erhöhung des allgemeinen Kinderabzugs) war ebenfalls umstritten. Laura Bircher, Vizepräsidentin Jungfreisinnige Kanton Bern, hatte die Vor- und Nachteile dieser Vorlage präsentiert. Die Gegner störten sich insbesondere an der Erhöhung des allgemeinen Kinderabzuges, welcher gegenüber anderen Lebenssituationen unausgewogen sei. Einzig die Individualbesteuerung sei die richtige Lösung und müsse jetzt eingeführt werden. Hierzu hatte Nationalrätin Christa Markwalder einen Vorstoss mit über 100 Mitunterzeichnenden eingereicht. Die Befürworter bezeichneten die Erhöhung der Abzüge als Investition in die Zukunft. Mit 49 Nein- und 33 Ja-Stimmen bei 24 Enthaltungen beschloss die Delegiertenversammlung schliesslich die Nein-Parole.
Die Vorlagen zum Vaterschaftsurlaub und zu den Kampfflugzeugen werden an der Delegiertenversammlung vom 19. August 2020 in Biel behandelt.